Aus meiner Beratungspraxis IX

Wir verbrauchen mehr als wir erarbeiten

Geschäftsmann schaut in die Ferne und sehnt sich nach seiner Berufung

Glücklich zu leben und wirkungsvoll zu arbeiten setzt die Freiheit der Wahl voraus. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard betrachtete unser Werden als Ergebnis der Entscheidungen, die wir an Schnittpunkten unseres Lebens trafen. Er fügte hinzu, dass wir unser Leben dabei auch verfehlen können. Auch Alfred Adler stellte als wesentlich heraus, welchen Gebrauch wir von unseren Möglichkeiten machen. Die Berufswahl ist der erste Schritt ins Arbeitsleben, das in unserer Kultur einen wesentlichen Teil unseres Daseins erfüllt und beeinflusst. Wie wir uns in einem herrschenden Zeitgeist bewegen und den Sinn unserer Tätigkeit nicht aus den Augen verlieren dürfen, wird in einer Beratung auf anschauliche und ermutigende Weise dargestellt.

Welches Ziel verfolgtest Du bei Deiner Berufswahl?

Hattest Du etwa die Absicht, Deine Talente umzusetzen oder anderen einen Dienst zu erweisen? Reizte Dich das Image Deines Berufes oder folgtest Du einfach der Empfehlung Deiner Eltern? Oder erfolgte die Wahl gar aus purer Verdienstabsicht? Zu den erklärten Motiven gesellen sich oft auch unbewusste Strebungen und schamhaft verborgene Motive, die zu kindlichen Defiziten, Kompensationsmechanismen und Heilungsversuchen führen. Adlers Bezeichnung von Arbeit als «Königsweg zur Überwindung von Minderwertigkeitsgefühlen» unterstreicht die grosse Bedeutung, die der Beruf für das Leben hat. Mit anderen Worten: Im Beruf wacht die Kindheit auf!

Warum arbeitest Du?

Aristoteles teilt das gesamte Leben in Musse (scholé) und Unmusse (ascholia) ein und abgeleitet davon in Freizeit und Arbeit. Das Negative würde dem Positiven willen geleistet. Karl Marx nahm diese Dualität auf und unterschied ein Reich der Freiheit vom Reich der Notwendigkeit. Abhängige Arbeit sei das Notwendige, das wir der Selbstgestaltung willen auf uns nehmen würden. Arbeit kann aber auch des Resultates wegen oder um der Beteiligten willen geleistet werden. Und schliesslich ist Erwerbstätigkeit auch ein Resilienzfaktor, weil sie sich als einer der wichtigsten psychischen Schutzfaktoren herausgestellt hat. Es ist besorgniserregend, wie rasch Berufsleute bereits nach kurzer Zeit ohne geregelte Arbeitsstruktur ihre beruflichen Kompetenzen, Selbstüberzeugungen und arbeitsrelevanten Fertigkeiten verlieren. Solange die demotivierenden Wirkungen der Arbeit Ihren Einsatzwillen nicht zu überwiegen beginnen, lohnt es sich somit, am Ball zu bleiben!

Wohlstand in Ehren, aber investiert Dein Arbeitgeber in Dich?

Dem Job-Stress-Index 2020 zufolge war fast jeder dritte Beschäftigte während der Arbeit wesentlich mehr belastet, als dies seine Ressourcen auffangen können. Demzufolge verbrauchen in der Schweiz über 1 Mio. Menschen mehr, als sie erarbeiten! Stressfolgeerkrankungen und Sinnverlust verlangen genauso nach zukunftsfähigen Lösungen wie die Alterung der Gesellschaft und die Probleme der Arbeitsintegration. Zum Thema «Arbeit – Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht» schrieb Joachim Bauer ein lesenswertes Buch.

Gibt es Deinen Beruf morgen noch?

Die Berufswahl ist kein einmaliges Ereignis weil unser Erfindergeist die Wirtschaft radikal verändert, beispielsweise durch die digitale Transformation. Mehr und mehr verschwinden die traditionellen Grenzen zwischen Dienstleistungssektor und Industrie, Arbeit und Privatleben, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Am wenigsten Veränderungen zeichnen sich im öffentlichen Sektor, in der Pflege und im Handwerk ab, am meisten in der Logistik, im Handel und im Flugverkehr. Schon jetzt zeigt sich, dass klassische Büros mehr und mehr der Vergangenheit angehören. Die häufigsten und wichtigsten Schlagworte lauten dabei mobil und dezentral. Die Arbeitsmarktfähigkeit wird ein immer wichtigerer Erfolgsfaktor im Arbeitsmarkt der Zukunft. Es ist Deine Fähigkeit, den Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden und im Beruf wettbewerbsfähig zu bleiben.

Fazit

Deine Chance liegt nicht in der Bestätigung dessen, was Du schon immer gewusst hast, sondern vor allem in dem, was Du neu hinzulernst.


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